Die Wissensdatenbank mit Begriffen rund um's Thema Kunststoff
In diesem kostenfreien Onlinenachschlagewerk finden Sie zahlreiche Begriffserklärungen zum Werkstoff Kunststoff. Diese sind gerade auch für Quereinsteiger eine kleine Starthilfe in die umfangreiche Welt der Kunststoffverarbeitung.
Wöhlerversuche werden auf sog. Dauerschwingprüfmaschinen durchgeführt, indem bei unterschiedlichen Lastamplituden die resultierenden Schwingspielzahlen bis zum Bruch ermittelt werden. Die Wöhlerkurve stellt die Beziehung zwischen der Spannungsamplitude (S) und der Anzahl der Lastwechsel bis zum Versagen (N) grafisch dar und beschreibt das Ermüdungsverhalten eines Kunststoffmaterials unter zyklischer mechanischer Belastung.
Bei Wöhlerkurven lassen sich prinzipiell drei Bereiche unterscheiden: Der Bereich der Kurzzeitfestigkeit zeigt nur eine geringe Abhängigkeit von der angelegten Spannung und ist nach links theoretisch durch den Festigkeitswert aus einem konventionellen Kurzzeitversuch begrenzt. Für die Auslegung zyklisch belasteter Bauteile ist meist der Bereich der Zeitfestigkeit relevant, wo sich bei doppellogarithmischer Auftragung (log S vs. log N) der Festigkeitsabfall häufig durch eine Gerade (Wöhlergerade) beschreiben lässt. Bei sehr hohen Lastspielzahlen (geringen Lasten) flacht die Wöhlerkurve ab und mündet in den Bereich der Dauerfestigkeit. „Dauerfest“ bedeutet, dass das Material theoretisch unendlich oft mit zyklischen Lasten kleiner dem Dauerfestigkeitswert beansprucht werden kann, ohne dass es zu einem Bruchversagen kommt. Wann und ob ein Dauerfestigkeitsbereich bei Kunststoffen beobachtet werden kann, hängt stark vom Material und den Beanspruchungsbedingungen ab. Tritt parallel zur mechanischen Ermüdung eine chemische Alterung des Kunststoffes ein, so kann dies dazu führen, dass u. U. kein (ausgeprägter) Dauerfestigkeitsbereich beobachtet werden kann.
Im Vergleich zur Ermüdungsprüfung bei Metallen muss bei Kunststoffen mit deutlich geringeren Prüffrequenzen geprüft werden (typische Frequenzen liegen lastabhängig zwischen 1 und 10 Hz). Aufgrund der hohen Eigendämpfung und geringen Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen kann es bei zu hohen Prüffrequenzen (und zu hohen Lastamplituden) zu einer unzulässigen Eigenerwärmung kommen, sodass das Versagen möglicherweise nicht mehr durch mechanische Zerrüttung eintritt, sondern durch temperaturbedingtes Überschreiten der Kurzzeitfestigkeit.
Aufgrund der zahlreichen Einflussfaktoren von Werkstoff (Faserverstärkung und -orientierung, Kerben/Bindenähte, …) und Beanspruchungsbedingungen (Zug/Druck/Biegung, Lastverhältnis, Frequenz, Temperatur, Medien, …) auf das Ermüdungsverhalten von Kunstoffen gibt es nicht die eine Wöhlerkurve, sodass ein Vergleich unterschiedlicher Wöhlerkurven nur bei gleichen Prüfbedingungen sinnvoll möglich ist.
Leider sind in Kunststoff-Datenbanken trotz der hohen Relevanz von Ermüdungserscheinungen so gut wie keine Wöhlerkurven verfügbar, was in erster Linie den sehr hohen Prüfzeiten und Kosten für deren Ermittlung geschuldet ist. Ein elegantes, wenn auch weniger bekanntes, Verfahren zur vergleichsweisen raschen Ermittlung von dynamischen Belastungsgrenzen (Dauerfestigkeitsniveau) ist der sogenannte Laststeigerungsversuch (Hysteresis-Messverfahren).
Abbildung: Wöhlerkurve (schematisch) für ein Material mit Dauerfestigkeit (Bild: SKZ)